Review

Nintendo 3DS-Review

Hatsune Miku: Project Mirai DX

veröffentlicht am Samstag, den 12. September 2015 von Joël Hartmann
Entwickler
Crypton Future Media
Genre
Musik
Erscheinungsdatum
11. September 2015

Hatsune Miku galt lange Zeit als inkompatibel mit westlichen Geschmäckern, doch ein digitaler Testlauf der PS3-Version von Project Diva F entpuppte sich als kultureller Eisbrecher. Das poppige Musikspiel erlangte genug Erfolg um die Ehre zu erhalten, fortan auch physisch in den Händlerregalen vertreten zu sein. Mit Hatsune Miku: Project Mirai DX geht SEGA nun einen Schritt weiter und veröffentlicht zum ersten Mal ein Spin-Off außerhalb Japans – eine verbesserte Version des Japan-exklusiven Project Mirai 2.

Wer Hatsune Miku kennt, weiß, was ihn erwartet – alle anderen Spieler müssen sich auf einen Kulturschock einstellen. Mit viel Farbe, schrillen Tönen und großen Kulleraugen – in Project Mirai verstärkt durch den Chibi-Look der Charaktere – ist die Marke der Inbegriff einer urjapanischen Popkultur, welche in dieser Form bei uns nicht existiert. Wer sich darauf einlässt, entdeckt mitunter sehr gelungene Lieder, die sich melodisch und stilistisch stark unterscheiden. Geschmackssache bleibt die Musikrichtung dennoch, weshalb die im eShop angebotene Demo für alle Skeptiker die erste Anlaufstelle sein sollte.

Genretypisch beschränkt sich das Gameplay auf rhythmisches Antippen der Buttons. A, B, X und Y tauchen entlang einer Linie als farbige Symbole auf und entsprechen den vier Aktionsknöpfen von Nintendos Handheld. Je höher der Schwierigkeitsgrad, desto höher die Buttonanzahl und stärker das Rhythmusgefühl. Neu in Project Mirai DX ist der Tap-Modus, in welchem der Touchscreen zum Frontmann wird und die Button-Einblendungen durch farbige Felder ersetzt werden. Vergleichbar mit iNiS' Osu! Tatakae! Ouendan oder Square Enix' Theatrhythm: Final Fantasy ist die Tap-Steuerung eine willkomme Alternative, welche trotz eines etwas niedrigeren Schwierigkeitsgrades dank eigener Highscorelisten ihre Daseinsberechtigung hat.

Zum 47 Titel starken Songrepertoire gehören 19 neue Lieder und 28 bekannte Titel, darunter Fanlieblinge wie "kokoro", "1/6 out of the gravity" oder das spielerisch fordernde "Matryoschka". An den Abwechslungsreichtum und die Qualität der Diva-Reihe kommt Project Mirai DX nicht heran – trotzdem kann sich das Aufgebot sehen (und hören) lassen. Voraussetzung dafür ist jedoch, qualitativ überzeugende Kopfhörer zu nutzen, denn nicht wenige Songs überfordern die eingebauten Lautsprecher des 3DS mit ihren facettenreichen Tonspuren enorm.

Wer die üppigen und aufwändigen Hintergrundvideos aus der Diva-Hauptreihe kennt und liebt, muss für das 3DS-Debüt der Vocaloids seine Erwartungen anpassen. Um eine flüssige Darstellung im 2D- und im 3D-Modus zu gewährleisten wurden die markanten Showeinlagen gewaltig entschlackt. Häufiger anzutreffen als komplette 3D-Animationen sind nunmehr zweidimensionale Stop-Motion-Filme oder Tanzeinlagen auf relativ kleinen Bühnen. Den Mangel an Spektakel macht Project Mirai indes mit reinem Inhalt wieder wett, denn selten steckte abseits der eigentlichen Musikspiels soviel in einem Hatsune-Miku-Titel.

Beim ersten Start wird der Spieler aufgefordert, sich einen Partner und eine Wohnung auszusuchen. Erstere/r lässt sich auf Wunsch einkleiden, Letztere dekorieren. Wer möchte, kann ebenfalls für das leibliche Wohl seines Partners sorgen, in einer vereinfachten Version von Go (dem japanischen Brettspiel) gegen ihn/sie antreten oder aber im Tanzstudio neue Choreographien aufarbeiten, welche anschließend mittels individualisierbarer Visitenkarten per Streetpass mit anderen Spielern geteilt werden können. Wem das nicht reicht, der findet neben allerlei (un)sinnigen Features wie einem Klavier und einem Wecker auch noch SEGAs Puzzle-Klassiker Puyo Pop im Hauptmenü vor.

Spieler, die von diesem Angebot überwältigt werden, können es jedoch ruhigen Gewissens ignorieren. Partner, Wohnung und sonstige Features sind allesamt optional für diejenigen, die sich ausschließlich für das Kernspiel interessieren. Alle Songs lassen sich freispielen, indem man die bereits verfügbaren Lieder erfolgreich absolviert und höhere Schwierigkeitsgrade werden automatisch anwählbar, sobald man einen Song auf "normal" abgeschlossen hat. Project Mirai DX ist, wie auch die Hauptserie, ein reinrassiges Musikspiel, das zusätzliche Spielereien zu bieten hat, sie dem Nutzer allerdings zu keinem Zeitpunkt aufzwingt.

Fazit von Joël Hartmann
8
Bedenken, mit Hatsune Miku: Project Mirai DX ein abgespecktes und halbgares Spin-Off zu erhalten, waren unbegründet. Vom limitierten Chibi-Stil und den simpleren Hintergrundvideos abgesehen steht der 3DS-Ableger seinen großen Brüdern in nichts nach. Die Songauswahl – wenn auch nicht referenzwürdig – ist mehr als ordentlich und das Gameplay gewohnt robust. Wer sich mit dem Stil und der Musikrichtung anfreunden kann, findet in Project Mirai DX eines der besten und umfangreichsten Musikspiele für Nintendos Handheld.
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