Hands-On

Xbox 360-Hands-On

Bayonetta

veröffentlicht am Freitag, den 06. November 2009
Entwickler
PlatinumGames
Genre
Action
Erscheinungsdatum
08. Januar 2010

Pünktlich zu Halloween lud SEGA freiwillige Geisterjäger ins Münchener Hauptquartier, um dort stilgerecht in einem abgedunkelten, mit Plastikmonstern dekorierten Versammlungszimmer das 1933er Frankenstein-Original in einer Dauerschleife zu präsentieren. Als bekennende Kulturbanausen und Verehrer moderner Farbfilme entschlossen wir uns jedoch dazu, eines der herumliegenden Xbox360-Pads zu erobern und einige Stunden mit einer inhaltlich kompletten Version von Bayonetta zu verbringen. Weshalb Platinum Games’ freizügige Hexe Frankensteins Monster wortwörtlich alt aussehen lässt, lest ihr hier.

Leitgedanke in der Entwicklung von Bayonetta war laut Director Hideki Kamiya die Geschwindigkeit – rasante Zwischensequenzen, temporeiche Action und rastlose Protagonisten bestimmen das Erscheinungsbild des absurd-durchgeknallten Feuerwerkes an abgefahrenen Ideen. Dies wird bereits in den ersten Spielminuten deutlich; Bayonetta und eine Gefährtin des gleichen Clans müssen sich auf einem in die Tiefe stürzenden Uhrenturm gegen unzählige Feinde zur Wehr setzen.Was andere Spiele als Highlight feiern, ist hier nichts weiter als ein Prolog: die laszive Hexe ist unbesiegbar, sodass sich der Spieler in die Steuerung hineinarbeiten kann. Währendessen erzählt eine Stimme aus dem Off von Entstehung und Fall des Hexenclans.

Anschließend macht das Spiel einen Sprung in die Zukunft und zeigt eine an Amnesie leidende Bayonetta, die tief in ihrem Innern aber immer noch weiß, dass die häufig engelsgleichen Gegner ihre schlimmsten Feinde sind. Ihr Feldzeug gegen die Heiligenscheinträger wird also fortgesetzt und ab diesem Zeitpunkt vom Spieler übernommen. Platinum Games’ Latex-Hexe ist dabei von Anfang an üppig ausgestattet und massakriert ihre Gegner mit Anmut und Brutalität: im Kopfstand dekoriert sie mit an den Füßen angebrachten Pistolen die engelsgleichen Körper mit Kugeln, Sprung und Ausweichrolle werden grazil in Kombos eingebunden um den teils fliegenden Gegnern Herr zu werden. Letzteres Manöver ist besonders wichtig, da eine perfekt getimte Rolle die „Hexenzeit“ aktiviert – eine Art Zeitlupe, welche sich vor allem gegen große Gegnermassen als äußerst nützlich erwies.

Besiegte Gegner hinterlassen unter anderem Heiligenscheine, die sich in regelmäßig zugänglichen Shops gegen allerlei nützliche Kampf-Upgrades, Waffen oder Gegenständen eintauschen lassen. So erwirbt man hier beispielsweise den „Break Dance“-Move, bei welchem Bayonetta auf dem Boden herumwirbelt und mit allen Gliedmaßen um sich ballert. Oder aber man verfeinert seine Ausweichkünste und investiert in eine Rolle, die sich auch in der Luft einsetzen lässt. Der Lagerbestand wird im Laufe des Spieles regelmäßig erweitert und stellt den Spieler nicht selten vor die qualvolle Wahl, ob ein neues Manöver nun wichtiger ist als die teils unverzichtbaren Heilgegenstände.

Letztere spielen vor allem in den unglaublich bombastischen Bosskämpfen eine tragende Rolle, denn diese bildschirmfüllenden Monstrositäten sind nicht bloß designtechnisch auf merkwürdige Art göttlich und abstoßend, sondern wissen sich ihres Leibes auch zu erwehren. Ein frühes Highlight des Spieles ist ein rund fünfzehn bis zwanzig Minuten andauernder Kampf um Leben und Tod in einem verlassenen Kollosseum, bei welchem mitunter die gesamte „Einrichtung“ zu Bruch geht und Bayonetta auf herumwirbelnden Trümmern herumspringen muss, um zum finalen Schlag anzusetzen. Diese Abschlussmanöver entfalten erst gegen die Bosse ihr volles Potenzial, denn je größer der Gegner, desto länger entblößt sich die Hexe zur Beschwörung ihres magischen Haares. Die perfekte Kameraführung verdeckt dabei jederzeit, was sich Videospiele nur allzu selten trauen, um anschließend den herbeigerufenen Dämonen ins rechte Licht zu rücken, wie er das einst imposante gegnerische Geschöpf in blutige Einzelteile zerlegt. Nie war Schönheit brutaler als in Bayonetta.

Diese Schönheit zieht sich auch zusammen mit ihrer Kollegin „Abwechslung“ wie ein roter Faden durch die teils prachtvollen Levels. Bereits die ersten vier Kapitel zeigen südeuropäisch aussehende Städte mit schmalen Nebengassen und funkelnden Plazas, Bosskämpfe hoch im Himmel, Tunnelsysteme, welche mit brennenden Lavaströmen auf furchteinflößende Art begeistern und Paralleldimensionen mit schwebenden Inseln, leuchtenden Farben und sprudelnden Quellen. Aus Spoilergründen verzichten wir auf weitere Beispiele, doch Hommagen an SEGA-Klassiker und zwischen die Levels eingestreute Schießstand-Einlagen zeigen, wie wichtig es den Entwicklern war, den Spieler nicht mit den immergleichen Aufgaben und Gebieten zu langweilen.

Eindruck von
Alles, was Bayonetta zu bieten hat, in eine Preview zu zwingen, ist unmöglich. Und ein größeres Kompliment kann man einem Spiel eigentlich gar nicht machen. Bayonetta ist schnell, elegant, sexy, unanständig, brutal, abwechslungsreich, wunderschön und hervorragend spielbar. Es ist gleichzeitig die Neuerfindung und der Höhepunkt eines ganzen Genres und längst nicht mehr der Geheimtipp, der es einmal war. Die Wartezeit von rund zwei Monaten auf die ungeschnittene deutsche Version erscheint elend lange, doch jede einzelne Minute wird sich lohnen.
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