Review

Playstation 2-Review

Yakuza

veröffentlicht am Sonntag, den 20. September 2009
Entwickler
Amusement Vision
Genre
Action-Adventure
Erscheinungsdatum
15. September 2006

Die Reaktionen der Fans auf die ersten veröffentlichten Bilder von Yakuza waren überwältigend. „Ein neues Shenmue?“ war die wohl häufigste Frage, die sich in die Gedanken eines jeden SEGA Fans schlich. Doch die Enttäuschung folgte auf dem Fuße; das neue Spiel nannte sich Ryu Ga Gotoku und hatte, wie sich später herausstellen sollte, rein gar nichts mit Yu Suzukis Meisterwerk am Hut.

Der zu Unrecht oft als Shenmue Klon oder GTA Tokyo bezeichnete Titel traf allerdings voll ins Schwarze und avancierte im Land der aufgehenden Sonne zu einem Verkaufsschlager. Unter dem Titel Yakuza erschien das Spiel Mitte September, ein ganzes Jahr später, auch im Westen und musste nun auch in Übersee seine Eigenständigkeit unter Beweis stellen.

10 Jahre Zwangspause und kein bisschen eingerostet
Regen trommelt an die Fenster, auf den Straßen hört man aufgeregte Gespräche von Leuten, die trotz des Wetters zu später Stunde noch unterwegs sind. In einem kleinen unscheinbaren Appartement lässt eine schwache Glühbirne an der Decke die Mordszene bedrückend erscheinen. Ein dicklicher Mann liegt blutüberströmt auf dem Boden, einen Meter von ihm entfernt steht der Täter. Oder zumindest der angebliche Täter.

Kazuma Kiryu ist der Name des Mannes, auch bekannt ist das Yakuza Mitglied unter dem Pseudonym Dragon of the Dojima Family, der Drache der Dojima Familie. Die Yakuza ihrerseits ist eine Art „japanische Mafia“ und die einzelnen Gruppen sind in Familien aufgeteilt. Ein Hand voll Familien bezeichnet man schlussendlich als „Clan“.

Beim Eintreffen der örtlichen Polizei am Tatort ist die Anwesenheit des jungen Mannes im Zusammenhang mit dem Tragen einer Pistole Grund genug, davon auszugehen, dass er der Mörder ist. Kazuma wandert unverzüglich hinter schwedische Gardinen und kommt erst nach 10 Jahren wieder heraus.

Hier stellt er zügig fest, dass die Erfindung des Mobiltelefons nicht die einzige Entwicklung ist, die er verpasst hat. Inmitten des mächtigen Tojo Clans, welcher drei Familien beherbergt, herrschen Verrat und Intrige. Alte Freunde sind nun gefährliche Gegner, frühere Feinde neue Verbündete und viele verzeihen Kazuma den Mord nicht, den er nicht einmal begangen hat…

Quadrat, Dreieck und gebrochen ist der Kiefer
In einem spielbaren Prolog, der die wahren Hintergründe und Auswirkungen des Mordes erklärt, wird der Spieler in der Rolle Kazumas mit der Steuerung und dem Spielprinzip vertraut gemacht. Hat man dieses clever eingebaute Tutorial hinter sich gebracht beginnt auch schon das eigentliche Spiel, wie anfangs geschildert 10 Jahre später.

Yakuza erinnert mit dem sehr schön gestalteten, fiktiven Stadtteil Tokyos und den zahllosen Passanten an das Dreamcast Meisterwerk Shenmue, ist von den Möglichkeiten her aber weniger breit gefächert. Während euren Streifzügen durch die Tokyoter Gassen, die ihr meist zu Nacht besucht und sehr schön von Neonreklamen beleuchtet werden, werdet ihr häufig von Schlägern, feindlich gesinnten Yakuza Mitgliedern oder anderen zwielichtigen Gesellen angeschrieen, was auch durch ein Vibrieren des Controllers signalisiert wird. Nun könnt ihr fliehen, oder euch aber dem Feind stellen und ihm zeigen, mit wem er es zu tun hat.

Entscheidet ihr euch für Letzteres, findet ihr euch nach einer längeren Ladepause (10-15 Sekunden) in einem separaten Kampfbildschirm wieder, dessen Begrenzung durch sensationsgeile, applaudierende Zuschauer markiert ist. Hier steht ihr dann eurem provozierenden Angreifer gegenüber, der aber von der Ladepause profitiert zu haben scheint und ein paar Kumpels zusammengetrommelt hat. Mit einfach zu erlernenden Kombos zerkloppt ihr eure Gegner, greift sie und schleudert sie umher. Mit jedem besiegten Gegner erhaltet ihr Erfahrungspunkte, die ihr im Statusmenü ausgeben könnt, um eine eurer drei Fähigkeiten zu steigern; SHIN (verstärkt Verteidigung und Heat Modus, dazu später mehr), GI (Erlernen neuer Kombos und verstärkt Griffe) und TAI (erhöht die Lebensenergie und Ausweichfähigkeiten). Da man genügend Erfahrungspunkte bekommt, um am Ende alle Fähigkeiten auf Maximalstufe 10 zu bringen, sollte man alle drei wenn möglich gleichzeitig aufleveln, um zwischenzeitlich dem Problem eines unglaublich starken Kämpfers mit minimaler Energieleiste aus dem Wege zu gehen.

Abseits dieser drei Attribute gibt es noch ein weiteres Attribut, was in Zusammenhang mit alternativ erlernbaren Techniken steht. So findet ihr im Laufe des Spieles einen alten „Sensei“, der euch weitere nützliche Techniken, wie Konterangriffe oder effektivere Schwerthiebe beibringt. Letztere stehen im Zusammenhang mit den zahlreichen Waffen, die man in den Kämpfen nutzen kann. Neben dem erwähnten Katana kann man auch auf Baseballschläger, Golfschläger, Pistolen, Eisenrohre oder Elektroschocker zurückgreifen, um den Gegnern den Garaus zu machen. Sind keine Waffen vorhanden, improvisiert man sich eine und vermöbelt seine Widersacher mit Stühlen, Tischen, Werbetafeln, Mülltonnen oder Fahrrädern.

Durch erfolgreiche Angriffe füllt ihr die „Heat“ Leiste. Ist diese voll, befindet sich Kazuma in einer Art „Wut“ Modus und sein Move Repertoire steigt unverzüglich, denn viele Manöver lassen sich nur in diesem Modus ausführen, meist in Kombination mit der Dreieck-Taste. Hier zeigt sich dann die wahre Natur der brutalen Kämpfe; so wird dem Gegner beispielsweise mit voller Wucht mit einem Baseballschläger ins Gesicht geschlagen oder ein am Boden liegender Feind bekommt die Auswirkung eines Fußtrittes in das Antlitz zu spüren. Ihr seht schon, Kazumas Kampfstil stellt Effektivität vor Schönheit.

Leider haben die Entwickler bei der Kameraführung in den Kämpfen geschlampt. Ein Lock-On System, mit dem ihr einen Gegner im Auge behalten könntet, fehlt gänzlich, wäre aber vor allem in Endkämpfen ein willkommenes Feature gewesen. Doch auch in Massenschlägereien stößt die schlechte Kameraführung sauer auf. Da hilft das Zentrieren des Blickwinkels hinter Kazuma mittels L2 leider auch nicht viel.

Storyverfolger auf Abwegen
Auch wenn die Story spannend ist, hervorragend inszeniert wurde und mit sehr schön geschnittenen Zwischensequenzen beeindruckt, werdet ihr euch häufig mit Nebenaufgaben beschäftigen, die ihr euch oft bei Zivilisten abholen könnt, welche mit einem grünen Pfeil gekennzeichnet sind. Im Gegensatz zu den Nebenaufgaben in ähnlichen Spielen sind diese immer recht schnell gelöst und abwechslungsreich, laufen allerdings fast immer auf eine der spaßigen Schlägereien hinaus. So müsst ihr beispielsweise eine gestohlene Handtasche wiederbeschaffen, einen Unschuldigen vor Schlägern retten usw.
Für das erfolgreiche Absolvieren dieser Nebenaufgaben erntet ihr Erfahrungspunkte und häufig auch Geld. Mit euren virtuellen Yen könnt ihr Heiltränke kaufen, Waffen erwerben oder auf den ersten Blick unnütze Accessoires in euer Inventar wandern lassen. Erst auf den zweiten Blick zeigt sich, zu was Parfüms, Schokolade und Handtaschen zu gebrauchen sind; als Geschenke für die Hostessen.

Hostessen sind junge Frauen, die in „Hostess“ Bars arbeiten. Wie im realen Japan sucht man sich eine Frau aus und verbringt eine festgelegte Zeit mit der Partnerin. Wer keine Lust auf belangloses Gequassel hat, der kann sein Geld auch anderswertig verpulvern; während im Casino unter Umständen noch etwas für euch herausspringen könnte, bringt euch das Stofftier aus dem Automaten herzlich wenig.

Atmosphärische Präsentation
Wer die Screenshots zu Yakuza betrachtet, dem werden vor allem die unglaublichen Menschenmengen auffallen. Doch nicht nur die Massen an NPCs wissen zu beeindrucken, sondern auch die Gestaltung der Landschaft, die mit teils beeindruckenden Gebäuden und schönen Details aufwartet. Erkämpft wird sich die schöne Grafik durch häufige „Zwei-Sekunden“ Ladepausen, die jedes mal das Geschehen kurz unterbrechen, wenn ihr ein paar Meter gelaufen seid. Dies wirkt sich aber nicht negativ auf den Spielfluss aus, da durch die festen Kameraperspektiven so das Gefühl erzeugt wird, ein neues Gebiet würde geladen werden.
Ein weiterer optischer Pluspunkt sind die sehr schön gestalteten Hauptdarsteller, die mit vielen Polygonen gesegnet und für PS2 Verhältnisse mit sauberen Texturen versehen wurden. Wie zu erwarten sind die Passanten allerdings ziemlich hässlich, aber das lässt sich verschmerzen.

Höhepunkt der visuellen Darstellung sind die Zwischensequenzen, die ohne Zweifel ungefähr ein Drittel der Spielzeit ausmachen. Cineastische Kameraschwenks werden hier mit perfekt ausbalancierten Gesprächen, die oft dann unterbrochen werden wenn die Spannung steigt, kombiniert und lassen einen glauben, einen Film anzusehen.

Abgerundet wird das Präsentationsbrett mit einer hervorragenden englischen Vertonung für die SEGA keine Kosten gescheut hat. Michael Madsen (Kill Bill), Michael Rosenbaum (Smallville), Eliza Dushku (Buffy – Im Bann der Dämonen), Rachael Leigh Cook (Eine wie keine) und Mark Hamill (Star Wars) sind die wohl bekanntesten Sprecher aus der Synchrobesetzung und machen ihre Arbeit wie zu erwarten erstaunlich gut. Mit Kraftausdrücken wird zwar nicht gespart, allerdings wären Verbrecher, die wohlwollende Wörter nutzen nicht wirklich glaubwürdig.

Soundtechnisch gibt es auch keinen Grund zu meckern. Die Hollywood Kompositionen sind immer hervorragend auf die Zwischensequenzen abgestimmt während in den Kämpfen harte Beats die Schlägereien sehr gut untermalen.

Fazit von
8
Yakuza ist ein erstklassiges Spiel geworden. Manch einen mag der spielerische Gehalt etwas abschrecken, da es außer Kämpfen und durch die Stadt laufen nichts zu tun gibt, mich stört das allerdings nicht. Denn bis auf die Kamera ist das Kampfsystem ausgezeichnet und die Auseinandersetzungen machen eine Menge Spaß, das Herumlaufen in der überschaubaren Umgebung ist durch die festen Perspektiven sehr schön in Szene gesetzt und die Zwischensequenzen bringen dem Spieler die spannende und gut durchdachte Geschichte eines japanische Buchautors sehr nahe. Die 15 Stunden Spieldauer schrecken mich auch nicht ab, im Gegenteil; nur so konnte man erreichen, dass die Story spannend bleibt und nicht den Faden verliert.
Yakuza hat also eindrucksvoll bestätigt, dass es weder Shenmue noch GTA ist und seinen eigenen Weg geht. Dieser Weg ist unterhaltsam und macht Spaß, Yakuza zählt zweifellos zu einem der besten Spiele, die der mittlerweile in die Jahre gekommenen PS2 noch einen Besuch abstatten. Wer gut erzählte Geschichten in Spielen mag und auch vor längeren Zwischensequenzen nicht abgeschreckt wird, kann bedenkenlos zugreifen.
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