Review

Dreamcast-Review

The Legacy of Kain: Soul Reaver

veröffentlicht am Sonntag, den 20. September 2009
Entwickler
Crystal Dynamics
Genre
Action-Adventure
Erscheinungsdatum
23. Februar 2000
Die Legacy of Kain Reihe dürfte wohl eine der wenigen Spieleserien sein, die bei Außenstehenden einen Zustand des absoluten Unverständnisses auslöst. Nicht etwa aufgrund abstrakter Spielmechanik, skurrilen Helden oder gewöhnungsbedürftigem Gameplay, sondern weil die Serie auf zwei Pfaden wandelte, bis die beiden Protagonisten schließlich in dem vorerst letzten Teil in einem Spiel zusammenfanden. In Blood Omen wurde Kain zum Hauptdarsteller erkoren, während Raziel in Soul Reaver den Antihelden mimte.
 
Verraten, verstoßen, verdammt…
Anfangs war Raziel ein getreuer Gefolgsmann seines Fürsten Kain, einem äußerst mächtigen Vampir, der insgeheim über das Reich Nosgoth herrschte. Doch das Schicksal sollte es anders wollen. Raziel entwickelte sich prächtig, sodass er eine bestimmte Stufe der vampirischen Evolution vor seinem Herrscher erreichte; Schwingen wuchsen ihm aus dem Rücken. Kain, angetrieben durch Eifersucht, riss Raziel die Flügel vom Leib und ließ ihn in einen magischen See werfen.
 
Die in diesem See befindliche Säure zersetzte Raziels Körper und entstellte den ehemals treuen Diener Kains aufs Schlimmste. Nach unendlich lange erscheinender Dauer erwacht das Schicksalskind in einer ihm unbekannten Umgebung. Eine Stimme befielt im, Nosgoth zu erlösen und seine Rache zu finde; Kain zu töten.
 
Auf das Spielprinzip reduziert, bleibt Soul Reaver im Grunde nichts anderes als ein Action-Adventure. In der Rolle Raziels erforscht ihr das düstere und zerfallene Nosgoth, das von Seuchen und anderen Plagen heimgesucht wird. Auf aus dem Boden herausragenden Speeren sind Leichen aufgespießt, Blutlachen zeugen von heftigen Kämpfen und zerfallene Ruinen von verwaisten Hausungen; Nosgoth hat schon bessere Zeiten erlebt und das wird perfekt übermittelt.
 
Um die komplexen Gebiete und Levels zu erforschen, stehen dem Hauptcharakter zahlreiche Fähigkeiten zur Verfügung. Wie andere Helden beherrscht auch Raziel den einfachen Sprung sowie das Kriechen, kann allerdings die Überreste seiner einst beeindruckenden Flügel dazu nutzen, um durch die Luft zu gleiten. Der untote Vampir hat aber noch weitaus bemerkenswertere Fähigkeiten auf Lager. So kann er zwischen dem Diesseits, der materiellen Welt, und dem Jenseits, einer spirituellen Welt, wechseln. In der spirituellen Welt ist Wasser nicht länger eine Materie und man kann durch die für einen Vampir sonst tödliche Flüssigkeit laufen. Des Weiteren ist die gesamte Levelarchitektur in dieser Welt verschoben, sodass der Wechsel zwischen den Welten oft erforderlich ist, um Rätsel zu lösen. Während Raziel jederzeit in die spirituelle Ebene wechseln kann, benötigt er zur Rückkehr in das Diesseits bestimmte Stellen, die durch ein Symbol gekennzeichnet sind.
 
Wer in einer solch heruntergekommen Umgebung herumirrt, bekommt es zwangsläufig auch mit skurrilen Gestalten zu tun, die Raziel oft feindlich gesinnt sind. Um jene zu besiegen, kombiniert man das Lock-On System mit gezielten Klauenhieben und der Standardgegner ist schnell Geschichte. Allerdings bekommt es der untote Ritter auch mit größeren Brocken zu tun. Dann empfiehlt sich der Einsatz einer herumliegenden Lanze oder einer Axt. Ist keine Waffe zur Hand, ist es an der Zeit, eine weitere Gabe Raziels zu nutzen; den Soul Reaver. Diese spirituelle Klinge ist fest mit Raziels rechtem Arm verschmolzen und nur nutzbar, wenn die Lebensenergie komplett aufgefüllt ist. Dieses Verwendungsdefizit gleicht die titelgebende Klinge mit horrendem Schaden pro Hieb aus.
 
Habt ihr einen Gegner venichtet, löst sich dessen Seele von seinem Körper und Raziel wird zum Schmarotzer. Auf Tastendruck zieht der Vampir seinen Umhang vom Gesicht, offenbart sein enstelltes Antlitz und saugt alle sich in der Nähe befindlichen Seelen ein, was seine Lebensenergie auffüllt.
Mit dem Soul Reaver besiegte Gegner hinterlassen zwar auch Seelen, allerdings werden diese sofort von der Klinge aufgesogen.
Ist ein Gegner einmal zu stark und erwischt den Helden in einem unvorsichtigen Moment, sodass sich dessen Lebensleiste leert, wechselt Raziel automatisch in die spirituelle Welt. Wird er hier noch einmal besiegt, heißt es aber definitiv „Game Over“.
 
Im Gegensatz zum Nachfolger gibt es in Soul Reaver in regelmäßigen Abständen Bosskämpfen. Anders als in diversen Genrekollegen reicht es hier nicht, hundert mal mit der besten Waffe auf den Obermotz einzuschlagen und gelegentlich ausweichen, sondern man benötigt oft eine sehr ausgefeilte Taktik, bei welcher die Umgebung genutzt wird und der Weltenwechseln nicht selten wieder das Schlüsselelement ist. Dies verleiht den Bosskämpfen aber ein gewisses Etwas, welches zusammen mit der hervorragenden Inszenierung die Gefechte für längere Zeit im Gedächtnis ruhen lässt.

Held mit Defizit. Spiel mit Defizit?
Neben der Erforschung von Nosgoth und dem Bekämpfen von Gegnern zeichnet sich Soul Reaver vor allem durch die häufigen und durchaus schweren Rätsel aus. Schalterrätsel, Schieberätsel, Jump´N´Run Einlagen, die mit dem Weltenwechsel unterbrochen werden sind anfangs noch getrennt, kombinieren sich aber im späteren Spielverlauf und könnten Einsteiger unter anderem die Freude am Spiel verderben.
Aber auch fortgeschrittene Spieler könnten unter Umständen überfordert werden und dürften mehr als ein paar mal einen Spieleberater zur Hand nehmen. Hinzu kommt, dass man häufig unter Orientierungslosigkeit leidet und man nicht weiß, wo man nun hingehen muss. Das hätte man besser lösen können. Abgerundet wird der Einsteigerschreck mit einem äußerst unkomfortablen Speichersystem, welches euch bei jedem Spielstart zurück an die Ausgangsposition setzt. Hier müsst ihr dann ein paar Meter laufen und euch mitttels Teleporter zu einem bereits entdeckten Gebiet beamen.
 
Stichwort Gebiet; erreicht ihr zum ersten Mal eine euch unbekannte Umgebung, lässt Raziel den Blick über das Areal schweifen und offenbart dem Spieler seine Kenntnisse. Oft erzählt er Ausschnitte aus der Geschichte der Vampire, welche beispielsweise anhand von bestimmten Szenen auf einem Wandgemälde zu bewundern sind. Diese Anekdoten vertiefen die Geschichte auf eine interessante Art und Weise und sind in den meisten Fällen äußerst interessant.

Neben der spannenden Story und dem außergewöhnlichen Setting kann das Spiel durchaus auch grafisch beeindrucken. Der mittlerweile etwas in die Jahre gekommene Titel reißt zwar in optischer Hinsicht keine Bäume mehr aus, war für damalige Verhältnisse aber wirklich hübsch. Die Protagonisten sind schön modelliert und mit vielen Polygonen versehen, die Texturen allesamt verhältnismäßig scharf und die Levelarchitektur ist schlichtweg atemberaubend. Derart schöne, gotische Gebäude hat man vor LoK: Soul Reaver noch nie in einem Spiel gesehen.
Hinzu kommt, dass das Spiel durchgehend flüssig läuft, lediglich beim Nachladen sinkt die Framerate etwas. Hier haben sich die Entwickler übrigends einen für damalige Verhältnisse revolutionären Trick ausgedacht; einen Ladebildschirm sieht man ab Spielstart nie wieder. Die einzelnen Gebiete sind durch Gänge oder Schluchten voneinander getrennt und während man durch diese nebelverhüllten Passagen wandert, wird der nächste Bereich geladen. Das Schlüsselwort hier heißt Streaming und kommt heutzutage in sehr vielen Spielen zum Einsatz.

Nebst der schönen visuellen Darstellung und der spannenden Geschichte beeindruckt LoK: Soul Reaver auch mit einem unauffälligen, aber passenden Soundtrack. Die düsteren Stücke erinnern an Hollywood Kompositionen und kommen nur sporadisch zum Einsatz. Dies allerdings gibt dem Titel einen nicht zu unterschätzenden Atmosphärebonus und rundet das Produkt fast perfekt ab.
Dies bezieht sich allerdings nur auf die Originalfassung. Die deutsche Fassung glänzt nämlich mit absoluten Sprecher-Fehlbesetzungen und amateurhafter Synchronisation. Der gute Wille seitens des Publishers war zwar vorhanden, aber hier hätten wohl viele Spieler Originalsprachausgabe mit deutschen Untertiteln bevorzugt.

 

Fazit von
7
Seit Soul Reaver bin ich ein großer Fan der Legacy of Kain Reihe, ein größeres Lob kann man einem Spiel eigentlich fast nicht mehr machen.
Obwohl der Titel im Grunde ein ganz normales Action-Adventure ist, hebt er sich durch das ungewöhnliche Setting, die interessante Hauptfigur und die fesselnde Handlung von der Genre Konkurrenz ab. Kleinere Kratzer im Lack wie Orientierungsprobleme oder das Speichersystem stören zwar, sind aber zu verschmerzen. Ich kann das Spiel jedem Dreamcast Besitzer nur empfehlen, dieser sollte allerdings den Willen mitbringen, noch mindestens beide Fortsetzungen, also LoK: Soul Reaver 2 und LoK: Defiance, zu spielen, denn ohne diese hat man nur einen Bruchteil der Geschichte erlebt. Wer alles wissen will, kommt um den Kauf der beiden Blood Omen Teile auch nicht herum.
Da alle Titel aber relativ billig zu kriegen sind, spreche ich hier eine klare Kaufempfehlung für die Serie aus.
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