Review

Xbox 360-Review

Sonic Unleashed

veröffentlicht am Montag, den 21. September 2009

Angetrieben wird SEGAs Turboigel von der neu entwickelten Hedgehog-Engine, die gleichermaßen schnelle wie auch prachtvolle Optik ermöglichen sollte. Und auch wenn sich kleine Fehler wie Pop-Ups oder Ruckler gelegentlich bemerkbar machen, haben sich die PR-Mitteillung als überraschend akkurat erwiesen. Der an Blue Dragon erinnernde Knetgummi-Look der Areale passt zum Sonic Universum wie die Faust auf’s Auge. Die comichafte Art-Direction lässt einen die wenigen Details vergessen und die wahnwitzige Geschwindigkeit stellt die Reaktionszeit des Fernseher auf eine harte Probe. Kurz: das ist Sonic, wie er in HD aussehen sollte.

Doch wenn uns der Daoismus eines gelehrt hat, dann das Prinzip von Yin und Yang, vom ewigen Gleichgewicht aus Licht und Schatten, von der berühmt-berüchtigten Kehrseite der Medaille. Verschwindet die Sonne hinter dem Horizont, strömen neben den Igelgenen auch jegliche Qualitäten aus Sonics Poren. Im Angesicht des Mondes verwandelt sich Sonic infolge Eggmans Energieabsorbtion in eine wolfänhliche Kreatur, verliert seine ihn auszeichnende Schnelligkeit, erlangt dafür aber über“iglische“ Stärke.

Die Idee zum sogenannten „Werehog“ kam den Entwicklern, als sie feststellten, dass Sonic ausschließlich seine Beine einsetzt. Als Opposition zum Spielprinzip des hellichten Tages sollte der Werehog also hauptsächlich seine Arme benutzen. Diese lassen sich in bester Mr. Fantastic-Manier wie Gummi in die Länge ziehen, werden letzten Endes aber lediglich zur Feindentsorgung und für uninspirierte Jump’n’Run-Passagen eingesetzt.
In einer Mischung aus Möchtegern-God of War und Super Mario dirigiert man das haarige Biest durch die nächtlichen Pendants der einst beeindruckenden Sonic-Höllenritte. Während die simplen, aber kurzweiligen Kämpfe dank netter Kombos noch halbwegs akzeptabel sind, wirken die Geschicklichkeitsabschnitte wie eine Videospiel-gewordene Manifestation des schlechten Gamedesigns. Nicht nur zerstören amateurhaft eingestellte Kameraperspektiven die nötige Übersicht, auch die Checkpoints verursachen durch ihre willkürliche Verteilung mehr Frust, als sie vermeiden können. Dazu gesellen sich kontext-sensitive Klettereinlagen: nur wenn das Spiel einen Verankerungspunkt für Sonics Klauen auswählt, kann man sich auch wirklich daran festhalten. Dadurch entsteht eine Abhängigkeit eines nicht einwandfrei funktionierenden Anvisierungssystems was angesichts tiefer Schluchten unter den Füßen des Protagonisten eine katastrophale Entscheidung darstellt. Exzessiv eingesetzte QTEs ohne Sinn und Verstand sowie eine nach kürzester Zeit nervige Hintergrundmusik tun ihr Übriges, um das Qualitätsniveau dieser Spielabschnitte unten zu halten.

Nacht und Tag gemein sind die mittlerweile altbekannten Adventure-Fields, welche man mit Sonic Adventure erstmals einführte. Dort führt man Gespräche mit Dorfbewohnern, deckt sich mit Proviant ein oder begibt sich schlicht auf die Suche nach neuen Leveleingängen. Zwar sind häufige Besuche dieser Metropolen notwendig, dank überschaubarer Größe verkommen sie jedoch nicht länger zur unnötigen Spielspaßbremse.
Diese zweifelhafte Ehre wird in Sonic Unleashed jedoch den Sonnen- beziehungsweise Mondmedaillen zuteil. Um ein Level betreten zu können, wird eine gewisse Anzahl dieser Embleme vom Spieler verlangt. Da man während des normalen Durchspielens den Großteil davon jedoch übersieht, wird man gegen Ende gezwungen, bereits bekannte Abschnitte abermals zu absolvieren und währenddessen Ausschau nach den häufig sehr gut versteckten Münzen zu halten. Während solche Suchspielchen an und für sich tolerierbar sein könnten, verstecken sich in Sonic Unleashed die meisten Medaillen selbstverständlich in den qualitativ minderwertigeren Werehog-Stages. Das Sonic Team muss seine Fans hassen.

Fazit von
6
Sonic Unleashed fair zu bewerten fällt schwer. Positiv anzumerken sind in jedem Fall die Rennabschnitte der SEGA-Ikone, die – abgesehen vom letzten Level – in 3D bis jetzt nie besser waren. Apotos, Chun-Nan, Empire City - all diese Welten stehen stellvertretend für gut designten, höllisch schnellen Sonic-Spaß ohne Kompromisse. Doch statt das Gameplay wie bisher üblich mit sekundären Spielfiguren auszubremsen, verwandelt man Sonic in Sonic Unleashed selbst zum abtörnenden Spießer. Die Werehog-Abschnitte wirken in die Länge gezogen, spielen sich belanglos und sind in manchen Fällen untragbar frustig. Ein Zustand, der sich auch auf das gesamte Finale des Werks anwenden lässt.
Und da einerseits die abschließenden Spielstunden stärker prägen als der Rest und die Werehog-Abschnitte den Großteil der Spielzeit ausmachen, bleibt auch Sonic Unleashed gemäß einer mittlerweile fragwürdigen Franchise-Tradition hinter den Erwartungen zurück – schade.
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