Review

Playstation 3-Review

Sonic Generations

veröffentlicht am Sonntag, den 04. Dezember 2011
Entwickler
SEGA
Genre
Action-Adventure
Erscheinungsdatum
04. November 2011

Dass Videospiele verglichen mit anderen populären Medien wie Film oder Musik verhältnismäßig jung sind, ist kein Geheimnis. Doch wie jung, wird erst dann klar, wenn vermeintlich uralte Ikonen ihren Geburtstag feiern. Mario erreichte 2010 sein 25tes Jubiläum, The Legend of Zelda tat es in diesem Jahr und Ikona Lara Croft wurde vor wenigen Monaten gerade einmal 15 Jahre alt. Und doch sind solche Zahlen beeindruckend, denn für ein derart kurzlebiges Milieu sind Geburtstage dieser Art eine Seltenheit. So auch jener eines bekannten Igels. Farbe: blau, Frisur; zackig, Alter: 20, Name: Sonic the Hedgehog.

Sonic Generations ist nicht bloß ein Spiel, das passend zum Geburtstag des Protagonisten erscheint. Es ist auch nicht bloß eine Retro-Compilation oder ein geschickt veröffentlichtes Remake. Vielmehr ist es eine interaktive Geburtstagsfeier zugunsten jenen Igels, welcher SEGA ein Gesicht verlieh und bis heute die bekannteste und beliebteste Figur des Konzerns ist. Wenn Sonics Freunde eine Überraschungsparty starten, blickt nicht nur er selig in die Vergangenheit – auch der Spieler sieht die Vergangenheit des Igels vorbeirauschen, sowohl die schönen, wie auch die negativen Erinnerungen.

Generations will indes primär die schönen Erinnerungen wecken. Ohne Intro, Dialog, Zwischensequenz oder ähnlichem modernen Schnickschnack beginnt nach Spielstart schlicht das erste Level. Sonic steht, aus der Seitenansicht dargestellt, in der Green Hill Zone. Ohne Tails, ohne Homing Attack, dafür aber mit Spindash. Wie Anno 1991.
Erst nachdem man dieses wahr gewordene Nostalgiebonbon verspeist hat (und traditionell ein Dr. Robotnik-Schild herumgewirbelt hat) beginnt die eigentliche Erzählung um Zeitsprünge, ein fieses Monster und einen altbekannten, Schnurrbart tragenden Glatzkopf. Wie immer ist die Geschichte lediglich ein Mittel zum Zweck, allerdings schöpft Sonic Team aus den Vollen und lässt bei jeder Gelegenheit den Sonic-Fan innerlich frohlocken. Nach Beendigung der Green Hill Zone erzählt Sonic beispielsweise, dass ihm diese Welt irgendwie bekannt vorkäme – Tails auf der anderen Seite behauptet, sie noch nie gesehen zu haben. Wenig später spricht der junge Tails Dr. Eggman mit “Dr. Robotnik” an, woraufhin Letzterer anwortet, so würde er schon lange nicht mehr genannt werden. Wer sich mit Sonics Vergangenheit auskennt, kann hier sozusagen in einem “Spiel im Spiel” teilnehmen und sein Wissen unter Beweis stellen – und freut sich jedes Mal wie ein kleines Kind, wenn er eine Anspielung versteht.

Doch geglückte Geburtstagsfeier hin oder her; was hat Sonic Generations spielerisch auf dem Kasten? Gewillt, Teamwork, Maschinengewehre und Werehogs ungeschehen zu machen, schickt Sonic Team den Spieler auf eine Odyssey, die ausschließlich vom titelgebedenden Igel getragen wird. Oder vielmehr von zwei Igeln, denn sowohl der seit der Dreamcast bekannte “Modern Sonic” wie auch sein kleineres und knuffigeres Pendant aus 16bit-Zeiten mimen die Hauptdarsteller. Das hat nicht bloß optische Gründe, sondern fällt auch spielerisch ins Gewicht. Der (stumme) 16bit Sonic beispielsweise beherrscht wie anfangs erwähnt nur wenige Manöver und geht sozusagen zurück zu den “ein Button”-Wurzeln des Gameplays. Seine Levels verlangen vom Spieler weniger Geschwindigkeit und Action, sondern präzise Sprünge über Abgründe, Fallen oder auf Feinde. Dargestellt werden die Classic Stages ausschließlich in einer zweidimensionalen Perspektive, einige wenige Schwenker zur Seite, wie man sie aus “Sonic Rivals” kennt, kommen in schnelleren Passagen jedoch auch vor.

Wie sehr sich das Gameplay über die Jahre gewandelt hat, zeigt währenddessen Modern Sonic. Auf der Steuerung von Sonic Unleashed aufbauend, rennt der größere der beiden Igel mit Schallgeschwindigkeit durch die Levels, schaltet Feinde mit der Homing Attack aus oder rast schlicht per aktiviertem Turbo mitten durch sie hindurch. Durch die erhöhte Geschwindigkeit fallen diese Stages in der Regel etwas schwerer aus, unfair werden sie im Gegensatz zu manch anderem Serienteil hingegen nie. Unbeabsichtigte Sprünge in die Tiefe oder verpasste Homing Attacks kommen zwar immer noch vor, generell spielen sich die Modern Stages von Sonic Generations jedoch so gut wie nie zuvor.

Und das ist auch gut so, denn die eigentlichen Level sind wie erwartet das Highlight des Spiels. Aufgeteilt in drei Gebiete mit je drei Stages einer Generation (16bit, Dreamcast-Ära (kurioserweise mit einem Sonic Heroes-Level), Current Gen) ist ein besonders Schmankerl für Fans hauptsächlich das Entdecken eines bestimmten Levels mit dem “falschen” Sonic. Denn wer wollte noch nicht mit Modern Sonic durch die Chemical Plant Zone rasen oder mit Classic Sonic Planet Whisp unsicher machen? Gerade die neuen Perspektiven in bekannten Welten überraschen immer wieder aufs Neue und enttäuschen nie. Sogar ursprünglich lediglich durchschnittliche Stages wie Crisis City aus Sonic the Hedgehog 2006 erstrahlen in Generations in völlig neuem Glanz und profitieren enorm von der wesentlich ausgereifteren Spielmechanik.

Drei mal drei macht Summa Summarum Neun und wer meint, das seien nur sehr wenige Level, der liegt de facto richtig. Dieses Problem versucht Sonic-Team in Form von Herausforderungen zu lösen und die Rechnung geht mehr oder weniger auf. Nach je drei abgeschlossenen Level poppen unzählige Nebenaufgaben im entsprechenden Gebiet auf – drei hiervon müssen bezwungen werden, um voranschreiten zu können, alle anderen sind lediglich optional. Und auch, wenn man sich auf den ersten Blick überwältigt fühlt, lohnt es sich, so viele wie möglich abzuschließen. Denn sie bringen nicht nur interessante, neue Aspekte mit (Sonic Rivals-ähnliche Bosskämpfe, Zeitrennen etc.), sondern man schaltet pro bezwungener Herausforderung Musikstücke aus dem enorm umfangreichen Soundtrack-Katalog der Reihe frei. Hier entdeckt man nicht nur alte Ohrwürmer wieder, sondern findet vielleicht auch neue Favoriten – uns fiel beim Testen beispielsweise auf, wie hochwertig der Soundtrack von Sonic the Hedgehog 2006 war, ungeachtet aller anderen Qualitäten. Erhaltene Musikstücke lassen sich übrigens in jeder beliebigen Stage als Hintergrundmusik einstellen. Wer mit “Marble Zone” in den Ohren durch Green Hill sausen möchte, den trennt lediglich ein simpler Knopfdruck von seinem Traum.

Für Perfektionisten sind jedoch andere freischaltbare Boni unter Umständen interessanter; die sogenannten Skills kann man im Chao-Shop erwerben und bringen mannigfaltige Fähigkeiten mit. Wer gerne Bestzeiten aufstellen möchte, holt sich beispielsweise einen Skill, der Sonic erhöhte Geschwindigkeit verleiht – vorsichtigere Naturen hingegen kaufen für Classic Sonic den bekannten Schild, welcher sie pro Level einmalig vor einem Zusammenstoß mit einem Gegner schützt. Die Skills bringen neue Facetten ins Gameplay, sind zum Großteil aber vernachlässigbar. Lediglich einige wenige wie Sonics Stampfattacke sind für den Spielfortschritt notwendig, worauf man allerdings aufmarksam gemacht wird – Puristen können also beruhigt schlafen.

Fazit von
8
Es hat einige Anläufe gebraucht, doch mit Generations hat es Sonic Team endlich geschafft, ein vollwertiges, hervorragend spielbares Sonic-Spiel auf aktuellen Konsolen zu veröffentlichen, das ohne zusätzlichen Ballast daherkommt und sich rein aufs Wesentliche konzentriert. Sieht man das Spiel als das, was es ist – eine interaktive Achterbahnfahrt durch Sonics Historie sowie eine Danksagung an seine vielen Fans – bleiben nur wenige Kritikpunkte bestehen. Neueinsteiger werden von der Faszination der fantastisch dargestellten Levels älterer Spiele zwar nur wenig verstehen, ältere Semester hingegen finden in diesem gelungenen Paket endlich das Spiel, auf das sie seit über einem Jahrzehnt warten. Der geringe Umfang des Hauptspiels mag den ein oder anderen enttäuschen, doch wenn uns Beschwerden beim nächsten Mal wieder weitere spielbare Charaktere bescheren, bleiben wir besser stumm. Happy Birthday, Sonic.
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