Review

Saturn-Review

Gun Griffon

veröffentlicht am Sonntag, den 20. September 2009
Entwickler
Game Arts
Genre
Action
Erscheinungsdatum
1996

Eine übernatürlich grosse, gepanzerte Körperhülle... das erfordert ein ganz anderes Körpergefühl. Meine Arme, meine Beine, meine Augen... alle Sensoren sind gesteigert, verlängert, verstärkt. Aber hier im Schlachtfeld, da hilft nur menschliche Reaktion und das Denken weiter, sie sind geblieben wie sie sind. Nur dadurch unterscheide ich mich in Wahrheit von den anderen Mechpiloten. Der Schnee peitscht an meine Aussenkamera, ich höre ein paar Funksprüche und werde neben dem Wald abgesetzt. Ich muss schnell zum Zug, vielleicht kann ich mit meinem Jetpack den grössten Ärger umgehen. Ich aktiviere meine Nachtsicht... da! Ein Baum bewegt sich! Zu gross für ein Baum... viel zu gross!

Die vor allem in Japan bekannte Spieleschmiede "GameArts" schickt den Spieler im 1st-person-Mechaction-Spiel Gun Griffon auf fiktive Schlachtfelder des 21. Jahrhunderts. Im Jahr 2074 kämpft ihr auf Seiten der Asiatisch-Pazifischen Unabhängikeitskämpfer gegen Chinesen und Amerikaner, teils mit russischer Unterstützung, um die letzten Ressourcen.

Die Missionen bietet trotz des vordergründigen Schießens Genre-typische Abwechlsung: Im nächtlichen Kiew führt ihr mit eurem High-Mac Strassenschlachten zwischen Ruinen und Laternen, oder überbrückt ganze Wohnsiedlungen mittels Jet-Pack. Vor der chinesischen Mauer beschützt ihr russische Einheiten, deren Sprit alle gegangen ist. In Novosibirsk gilt es, inmitten von Schnee, amerikanischen Nachschub zu stoppen, ein anderes Mal schützt ihr euch selber auf einem Flugplatz. Normalen Geleitschutz für einen Konvoi gibt es ebenfalls.

Je nach Situation ballert ihr mit der normalen 120mm Gun, einem MG, einem Raketenwerfer, oder mittels panzerbrechender Raketen. Die Waffen sind unterschiedlich stark, und reichen unterschiedlich weit. Das MG besitzt zwar unbegrenzten Magazinvorrat, erhitzt sich aber auch relativ schnell. Ihr müsst öfters genau überlegen, wann und für wen ihr was einsetzt. Für Hubschrauber eignet sich das MG, für Mechs die schnell sind, die Gun; für langsamere Ziele tun es die panzerbrechenden Raketen.
Wie üblich gibt es das alles in drei Schwierigkeitsgraden, und die Levels werden von Mal zu Mal schwieriger, hier zeigt sich, wie gut ihr euren High-Mac beherrscht. Das Schwierige dabei liegt am Gegneraufkommen, den zusätzlichen Handicaps (niedrige Munition, kaputtes Jet-Pack) und der ablaufenden Zeit. Währenddessen dürft ihr die eingangs erwähnten Missionsziele nicht aus den Augen verlieren. In so gut wie jeder der Missionen gilt es dabei, den Versorgungshubschrauber zu schützen. Dieser lädt nämlich eure Waffen auf. Hektik, (An)spannung und Atmosphäre haben alle der gerade mal sieben Levels gemein. Diese Zahl ist deutlich zu niedrig und knabbert am Replay Value, da helfen auch die beiden Trainingsmissionen nichts - sehr schade.

Die komplexe aber dennoch intuitive Steuerung geht wortwörtlich gut von der Hand. Euer High-Mac verfügt genau genommen über fünf Bewegungszustände der Beine: Mit einmaligem Drücken der "X-Taste" geht ihr normalen Schrittes, ein zweites betätigen aktiviert die aus dem FMV-Vorspann bekannten "Fusssohlen"-Rollen. Hiermit rast ihr deutlich schneller durch die Landschaft. Dasselbe geht mittels "A-Taste" auch rückwärts. Da auf dem SAT-Pad beide Tasten vertikal hintereinander angebracht sind, steuert sich das Ganze auch physisch logisch. Ein Stillstand ist natürlich auch möglich.

Euer "Digikreuz" lässt die Aussenkamera auf allen Achsen schwenken, mittels "L" bewegt ihr euren Torso um die eigene Achse, auch während des Ganges, des Fluges oder der Fahrt. Eine Nachtsicht lässt sich ebenso aktivieren, wie das auf max. drei Sprünge begrenzte Jet-Pack, dessen Energie sich jedoch (langsam aber stetig) auflädt. Die Waffen schaltet ihr mit "C" durch, gefeuert werden diese stilecht mittels "R"-Trigger. "START" ruft jederzeit eine taktische Karte samt Neustart-Möglichkeit auf.

Grafisch und technisch überzeugt Gun Griffon mit vielerlei realistischen Effekten. Wenn ihr mit der Gun schießt, versperrt bei jedem Schuss pixeliger Rauch eure Sicht. Schüsse ins Blaue werden durch Detonationen plus Rauch dargestellt. Die Animationen anderer Mechs sind durchweg realistisch: Beine, Torsos und Kanonen sind je nach Situation unterschiedlich animiert. Eine Truppe von feindlichen Spinnenmechs, Transporteinheiten und Panzern fahren / laufen in der Reihe, sobald ihr aber in ihre Nähe kommt, drehen die Spinnenmechs ihre Geschütze in eure Richtung und eröffnen das Feuer. Wenn ihr getroffen werdet, kann es sein, dass euer Torso und die Aussenkamera in eine andere Richtung gedreht werden, so dass ihr kurz die Orientierung verliert.

Ihr pirscht euch an feindliche Streitkräfte hinter Hügeln an, die wie die ganze Landschaft nach und nach polygonal eingezeichnet werden. In Kiev aktiviert ihr die Nachtsicht, um euch in der dunklen, nur noch aus Ruinen bestehenden Stadt zurechtzufinden. Zwar verschwindet mal ein halber Panzer in der Strasse, aber das trübt den Spielspass nicht wirklich. Rast ihr durch einen Wald, wird eure Fahrt durch die Bäume gebremst, ebenso, wie hier auch euer Radar ausfällt. Das trägt ebenfalls zur Atmosphäre und zum taktischen Vorgehen bei. Die Umgebung ist bis auf die Räder von Windmühlen nicht zerstörbar. Die Explosionsanimationen sind nicht wirklich gelungen: Wird ein Panzer vernichtet, fliegt der Kampfturm hoch und der Rest explodiert. Mechs explodieren an verschiedenen Stellen und lösen sich ebenfalls in Nichts auf. Mehr Abwechslung wäre hier mehr Realismus gewesen. Ruckler konnte ich keine feststellen.

Das Setting ist zwar funktional, aber zu bunt und ohne Gesamtthema. Ihr beginnt in einem Startmenü mit Billigem Lensflare, dann kommt ihr ins Vierermenü mit langweiliger Arial-Schrift. Wählt ihr z.B. die Missionen bekommt ihr eine Landkarte mit der Levelauswahl- und Vorschau, danach wird die Ladezeit durch einen simulierten Computer-Login überbrückt - ganz nett, jedoch wieder mit einer unpassenden Schriftart. Danach landet ihr auf einer taktischen Übersichtskarte des jeweiligen Szenarios, hier ist abermals eine andere Schriftart. Wenn ihr weiterklickt kommt noch mal eine Missonszusammenfassung mit Infos zu Wind, Temperatur, etc... alles wieder sehr bunt gehalten.

Dann geht"s weiter mit einem durch einen Ton simulierten Hochfahren der Systeme. Hiervon scheint Steel Batallion (Xbox) inspiriert worden zu sein. Wenn ihr im eigentlichen Spiel beginnt, habt ihr allerlei Anzeigen auf eurem HUD, wie Sprungenergie, Zielanzeigen, Waffen, Radar (plus Damage-Rahmen) und z.B. der Restzeit, usw... Der Kampfscreen scheint zuerst überladen, aber Gun Griffon möchte auch hier realistisch sein, und erinnert durch das HUD etwas an eine Flugsimulation. Das ist meines Erachtens gelungen, ihr seht das Kampfgeschehen schließlich durch eine Kopf-Kamera.

Habt ihr eine Mission erfolgreich beendet landet ihr in der Missionsabrechnung, plus Kommentar des Kommandanten, erlittenem Schaden, Zeit, abgeschossenen Feinden sowie Einsicht in eure Punkte. Abschließend geht"s noch zu den Highscores, hier tragt ihr in bester Automat-Tradition drei Zeichen ein. Leider gilt die Liste für alle Missonen im Spiel, besser wäre es sicherlich gewesen, eine Liste für jede einzelne Mission zu führen. Ich führe das deshalb so genau aus, weil ich der Meinung bin, zu einem Mechsshooter in einem Art Endzeitszenario hätte ein stimmigeres, weniger verspieltes Setting, z.B. mit den Farben und Texturen der Mechs besser gepasst.

Das Design der unterschiedlichen Vehikel hingegen ist absolut überzeugend. Gerade die High-Macs sind nicht unbedingt an NGE-, Gundam- oder Battletechdesigns angelehnt, und stechen durch ihre ungewohnte Architektur heraus (Kanone, Torso-Bug, Kamera...). Laut Vorgeschichte spielt die Handlung zwar im 21. Jahrhundert, dennoch wird 20. Jahrhundert-Technologie verwendet.

Musikalisch bietet Gun Griffon etwas untypischen, aber in Nippon verbreiteten, lockeren Synthi-Pop, mit etwas Rock, einfachen Keyboard-Melodien und Akkordtönen. Macht sich ganz gut, da zwischendurch auch dramatische Wendungen enthalten sind. Während des Missionsstarts bekommt ihr verzweifelte Schreie oder Kommandos eurer Kameraden zu hören, leider schweigen sie aber während der Missionen - schade. Wenn ihr euch umdreht, ist das Fahren z.B. von einem Panzer fast nicht mehr zu hören, ebenso verschwindet das Stampfen der Mechs. Ihr ahnt den Bombenhagel einer sich nähernden und nicht leicht abzuschießenden F-117 ebenso, wie Geschützfeuer eines Gegners, dass gleich in euren Aussenpanzer einschlagen wird. Hier gibt es nichts zu meckern. Zudem zeigen verschiedene Warntöne ernste Beschädigungen, ausgehende Zeit oder Border-crossing an, wobei schon eines von Dreien das "Mission Failed" bedeutet, was wiederum zum Restart führt.

Fazit von
8
Auch heute überzeugt der schnelle, intelligent durchdachte, atmosphärische und taktisch angehauchte Actiontitel. Saturn Besitzer können froh sein, einen solch gelungenen Mech-Titel zu besitzen. Schade, dass der Umfang sehr gering ausgefallen ist. Ein paar mehr Trainings- und Hauptmissionen hätten sehr zum Wiederspielwert beigetragen. Aber dieser ist auch so durchaus vorhanden. Wer dem nicht total abgeneigt ist, für den lohnt sich der Kauf, und evtl. auch der des zweiten, nur in Japan erschienenen Teils.
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