Review

Xbox 360-Review

Condemned: Criminal Origins

veröffentlicht am Sonntag, den 20. September 2009
Entwickler
Monolith Productions
Genre
First-Person-Shooter
Erscheinungsdatum
02. Dezember 2005

Scheiss Tag: Es pisst dermaßen, dass man am besten gar nicht aufschaut, sondern nur den Lichter der Autos in den Pfützen folgt. Was gibt es Besseres, als ohne Frühstück in einem der abgef*cktesten Gegenden dieser üblen Stadt einen Tatort zu inspizieren. Ethan Thomas, beschäftigt als Top-Agent beim FBI, hat die Ehre, und ihr seht alles mit seinen Augen, im Ego-Fighter Condemned. Es ist wohl abends, und euer Chef macht euch Dampf. Also raus aus der Karre... Das Spiel geht dabei ohne Unterbrechung in die Game-Engine über. Das erste, was ihr aus der Ego-Sicht seht: Altes Mauerwerk, eingeschlagene Fenster, Müll... und natürlich die übliche Absperrung „Police Line – Do Not cross“.

Euer Boss fordert euch auf, ihm unter der Absperrung hindurch ins Innere des leer stehenden Gebäudes zu folgen. Das Spiel blendet hier das erste Mal die Button-Hilfe ein: Ihr drückt meist A – und schlüpft so, ähnlich wie im XBox Spiel Breakdown, an Hindernissen vorbei, klettert Leitern hoch, oder verschiebt Schränke. Drinnen angekommen weist euch ausschließlich die Taschenlampe eures Chefs den Weg. Mit dem rechten A-Stick schaut ihr euch um, und mit dem linken wird gelaufen, bzw. temporär gesprintet (achtet auf eure Ausdauer-Anzeige). Hier habt ihr Zeit, die hochauflösenden, und realistisch texturierten Umgebungen zu begutachten, die durchaus Ähnlichkeiten mit denen in Silent Hill 2 haben. Doch weiter: Alsbald, wie sollte es auch anders ein, fällt die Funzel aus, und ihr aktiviert eure, welche fortan im gesamten Spiel mit O de- / und aktiviert wird. Schließlich betretet ihr den Tatort: Geisterhafte Schaufensterpuppen, Leichen... seht mir bitte nach, dass ich nicht mehr verraten werde.

Jedenfalls verfahrt ihr hier, wie an vielen Stellen im Spiel: Packt mit X diverse Scanner, Digitalkameras, oder bspw. Schwarzlicht aus, und untersucht eure Umgebung nach Spuren. Diese leuchten durch die Utensilien verschiedenfarbig auf. Habt ihr etwas gefunden, schickt ihr mit erneuter X-Bestätigung eine Probe oder Schnappschuss an die Zentrale, welche euch über die weitere Verfahrensweise aufklärt. Hier versucht sich das Spiel von einem gewöhnlichen Ego-Game abzuheben. Doch die Benutzung der forensischen Instrumente ist stark eingeschränkt: Das Spiel erlaubt die Aktivierung dieser nur an speziellen Stellen, und dann nicht mehr. Anstatt den Spieler derart anzubinden, wäre es besser gewesen, eine Balance zwischen Vorgabe und Autonomie des Spielers zu schaffen. Im Laufe des ersten Kapitels wird euch und der Polizei klar, dass ihr nicht mehr alleine seid. Doch damit nicht genug, denn eine mysteriöse Verbrechenswelle überschwemmt die Stadt – und euch nimmt sie gleich mit. In den verschiedenen Levels schlagt und schießt ihr euch durch heruntergekommene Gebäude, und versucht der Gewalt-Ursache auf die Spur zu kommen. Während der Missionen haltet ihr Rücksprache mit eurer Kollegin, die euch regelmäßig über das Handy kontaktiert. Während der Telefonate kommen zum Glück keine Gegner auf euch zugerannt, da ihr euch nur eigeschränkt bewegen könnt.

Interaktivität lautet das Überlebens-Zauberwort: Greift euch Bretter, Brechstangen, Rohre, Stöcke, Stuhllehnen, Puppenarme, Schubladen, Schilder, Kolben, Leitungen, Türen, oder was sonst noch herumliegt, um die Mörder und Psychopathen zusammenzuschlagen. Selbstverständlich liegt das Zeug nicht nur rum, sondern muss zuvor auch mal aus Verankerungen gerissen werden. Bei Treffern lassen eure Gegner manchmal die Waffen fallen. Schnappt sie euch, so lange es geht!

Eine andere Form der Entwaffnung funktioniert so: Feuert mit einem Lähmungstaser auf die anrückenden Feinde, das stoppt die Meisten für eine kurze Zeit. Das Gerät muss sich aber vor erneutem Gebrauch wieder aufladen, auch wenn die Munition unendlich ist. Vorsicht ist bei Schusswaffen geboten: Erstens ist deren Anzahl an sich, wie auch die der Munition, stark begrenzt. Es kommt nicht selten vor, dass ihr dem Gegner die Shotgun entwendet, euch auf einen Abschuss freut, und plötzlich nur den Kolben in der Hand haltet. So werden Schuss- zu Schlagwaffen. Viele Waffen leiden unter Abnutzung, und gehen auch mal zu Bruch. Wenn ihr mal nicht weiterkommt, empfiehlt es sich, Vorhängschlösser oder Türen mit Äxten und Hammern einzuschlagen.

Diese Waffen sind für Grobnaturen gut geeignet, aber auch enstprechend träge in der Handhabung. Zum Schädel spalten eignen sich Rohre oder Bretter mehr. Wieviel besser oder schlechter eine Waffe ist, erfahrt ihr durch eingeblendete Displays. Für ein Next-Gen-Spiel hätte ich mir allerdings gewünscht, dass sämtliche Türen mit Waffen zu öffnen sind! Umweltgefahren gibt es bis auf ausströmenden Rauch, Events in Cut-Szenen oder elektrische Spannung keine. Wenn ihr dennoch Gefahr lauft Energie zu verlieren, finden sich an fair plazierten Stellen Medipacks in 1.-Hilfe-Kästen. In den Gebäuden gibt es zudem versteckte Vögel und Xbox360 (!) Konsolen zu entdecken, die u.a, zu einer Rangbewertung am Ende der Level führen. Damit schaltet ihr Making-Of-Extras frei.

Kurzes Praxisbeispiel: Kaputte Schreibtische, eingeschlagene Fenster. Mancherorts schreckt ihr durch euer eigenes Wirken an der Umgebung auf. Dank 5.1 knistert es kurz hinter euch: Aha! Wo bist du? Ihr seht kurz zu Boden, und eine Mischung aus Enttäuschung, wie auch Beruhigung macht sich breit: Das Knistern wart ihr – auf altem Zeitungspapier. Ihr schaut auf, und ein Schatten rennt fünf Meter an euch vorbei. Der zweite Schock, und ihr habt nichts weiter in der Hand. Beherzt wird ein Wasserrohr aus der Wand gerissen und vorsichtig in Richtung Schatten geschlichen. Nichts! Ihr geht zwei Schritte um die Säule... Und dann steht er da: Mit zerfetzten Lumpen an, und leicht geduckter Körperhaltung. Ein kurzer Blickwechsel und euer Opponent bricht sich ein Brett aus einer Holzpalette. Er ist der erste, der schlägt – und trifft auch noch! Euer L-Block kommt zu spät, dafür prallt sein zweiter Schlag an eurem Wasserrohr ab. Das verwirrt ihn, er taumelt! Ihr hingegen sofort R runter: Volltreffer! Und gleich einen hinterher! Doppeltreffer! Er sackt zu Boden, lässt das Brett fallen. Die Küche empfiehlt heute „Face-Fist als Finishing-Move“, was meint ihr? Aber überlegt nicht zu lange!

Anfangs gestaltet sich das Blocken und Treffen recht ungelenk, was für den realistisch gehaltenen Aspekt des Spiels spricht. Das Zielen mit Fernwaffen jedoch, ist nicht so töricht ungenau wie bspw. bei Silent Hill. Von den Finishing-Moves gibt es übrigens vier an der Zahl, alle mit Nahaufnahme der gegnerischen Fresse, die teilweise wirklich beängstigend ekelhaft aussehen. Manchmal stehen die Deppen aber wieder auf, und springen euch an, das artet dann in ein Shenmue-ähnliches Quick-Time-Event aus: Bewegt schnell die Analogsticks um den Anhang abzuschütteln. Taktisch kluge Naturen treten übrigens auch mal mit dem rechten Stick zu. Zwar ist die Darstellung auch dank der neuen Grafik-Generation brutal und realistisch, abfallende Körperteile bekommt ihr aber nicht zu sehen. Mancherorts trefft ihr übrigens auf Zwischengegner, die später zu Standard-Gegnern werden.

Was die Atmosphäre noch dichter und beängstigender Macht, das ist der Sound: Unheilvolle, an Maschinen und Tunnelschächte erinnernde Klänge halten euch panisch bei der Sache. Die Perkussion und das Ambiente schaffen es perfekt, im Hintergrund und dabei gleichzeitig an den richtigen Stellen vordergründig zu erklingen. Über 5.1 kommt diese dermaßen mitreissende und abstoßende Seite noch mehr zu Geltung. Rechts, und dann wieder links hinter euch hört ihr die Schritte, und oft erschreckt ihr euch über eure eigenen Bewegungen, und flucht über eure Ungeschicktheit. Immer wieder erwischte ich mich dabei, wie ich zum virtuellen Gegner sagte: „Du scheiss Penner!“ – obwohl nicht immer einer da war. Dieser Fakt wird auch nicht besser, wenn ihr mit Freunden spielt. Auch eure gesellige Runde wird sich erschrecken, und da dann bei Condemned eine gute Figur zu machen, ist echt nicht einfach.

Condemned bietet auch optisch hervorragende Schockmomente, wobei es den beeindruckendsten in einem ehemaligen Kaufhaus zu sehen gibt, der so scheint es, fast gar nicht mehr aufhört... Mehr verrate ich nicht. Flashbacks in die Vergangenheit, oder Ethan Thomas‘ Instinkt-Visionen, reissen euch immer wieder aus dem aktuellen Spielgeschehen heraus. So wird mancherorts die Zeit verlangsamt, ihr hört Stimmen, und die Szenerie färbt sich schwarzweiss. Ein alter Swimmingpool füllt sich plötzlich mit Wasser, oder mutierte Gestalten tauchen auf. Das erinnert an Filme, und macht die ohnehin dichte Atmosphäre noch massiver. Als stolzer XBox360 Besitzer bleibt aber auch mal gern in ruhigen Momenten stehen, und besieht sich die Umgebung. Da gibt es doch tatsächlich ein paar matschige Texturen, so z.B. an Laternen. Aber das wäre albern zu kritisieren. Gegnermodelle sind plastischer als bei aktuellen High-End Konsolen-Spielen, wie Doom3, Riddick oder HALO2, wobei die Figuren durchschnittlich etwas zu aufgeplustert daherkommen. Eure Kollegin in der Zentrale scheint ähnlich trainiert wie ihr zu sein... Texturen mit Schriften, wie U-Bahn-Fahrpläne sind detailliert und können perfekt gelesen werden, Spraydosen sehen fotorealistisch aus. Ein paar Gegenstände lassen allerdings Vibration-Widerstand vermissen und werden so zu einer Art virtuellen Nullnummer.

So manches Zimmer erinnert durch sein verstörendes Ineinanderreihen von kaputten Stühlen, Tischen und Müll an Konamis Silent Hill. Diese Details erfreuen das geübte Spielerauge, vor allem auf HDready. Vielleicht ist Condemned durch sein allgemein düsteres Ambiente kein Vorzeige-Titel für die 360, wie Project Gotham Racing 3, aber eine Atmosphären-Referenz auf der neuen Microsoft Konsole auf jeden Fall. Etwas seltsam, und vielleicht auch schade, ist die Tatsache, dass ihr nur durch verlassene Gebäude lauft. Wie wäre es mit einem belebten Supermarkt, oder einem Bürogebäude, in dem plötzlich die Lichter ausfallen? Fürs nächste Mal dürfen auch mehr Schockmomente und Gegner dabei sein, dafür dann die Levels größer. Aber bitte ohne Geiselrettungs-Missionen... Ich persönlich konnte keine großen Unterschiede zwischen den Schwierigkeitsgraden "Normal" und "Schwer" feststellen.

Fazit von
7
Brutaler Horrortrip: Dreckig, dunkel, und kein bisschen lustig. Schlagt Psychopathen und Mördern die Zähne aus der Fresse, oder brecht ihnen das Genick. Schockmomente lassen eure Hände verkrampfen, und zwar so, dass ihr schon Titan-Nerven braucht, wenn ihr mit 5.1 Sound und nachts spielt. Condemned ist eine Mischung aus Manhunt, Breakdown und Silent Hill, wobei auf echte Rätsel so gut wie verzichtet wurde. Zwischen Nahkämpfen und Tatort-Check sucht ihr immer nach dem passenden Werkzeug, um voranzukommen. Dabei wiederholen sich genau diese Elemente sehr oft, und der Einsatz der forensischen Gadgets wird fast komplett vom Spiel übernommen – das schränkt die Handlungsautonomie stark ein. Schade, dass der XBox-Live Support schwach ist, ein coop-Mode fehlt, und der Wiederspielwert gering ist. Aber genug blabla... Condemned ist ein sehr guter, interaktiver Ego-Trhiller, im Stil des Filmes „Sieben“, und dank Story, wie auch Darstellung genauso packend wie verstörend. Blut, Zähne, Dreck, Perversionen und Visionen - eines der wirklich erwachsenen und harten Spiele da draußen...!!
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