Review

PC-Review

Alien: Isolation

veröffentlicht am Montag, den 10. November 2014
Entwickler
Creative Assembly
Genre
First-Person-Shooter
Erscheinungsdatum
07. Oktober 2014

H.R. Gigers Alien hat es nicht leicht. Einst der Hauptakteur in den Albträumen vieler Cineasten, büßte der Xenomorph über die Jahre den Großteil seines Schreckens ein. War die imponierende Siluette in Ridley Scotts wegweisendem Science-Fiction-Meisterwerk noch das überlegene, furchteinflößende Unbekannte, reduzierten spätere Produktionen – inklusive SEGAs Colonial Marines – das Alien nach und nach auf ein in Massen auftretendes und mit ausreichend Waffengewalt beherrschbares Kultobjekt aus den 70er Jahren. Ein Umstand, der sich vor allem im Bereich der Videospiele bemerkbar machte. Und den sich Entwickler The Creative Assembly zu ändern genötigt fühlte.

Die Botschaft wird nach dem ersten Auftritt des Aliens im Spiel klar: Hier sitzt der Gegner am längeren Hebel. Amanda Ripley, Tochter von Ellen Ripley, ist, wie SEGAs Marketingabteilung passend bemerkt, schlecht ausgerüstet und schlecht vorbereitet. Die Reise zur Raumstation Sevastopol hatte einen rein persönlichen Charakter. An Bord des Schiffes soll sich die Blackbox der Nostromo befinden und Auskunft über das Schicksal ihrer Mutter geben. Denn Ellen Ripley ist, wie Filmkenner wissen, nach dem Ende des ersten Alien-Streifens vermisst gemeldet – ihr Raumkreuzer, die Nostromo, zerstört.

Doch bloß wenige Stunden nach dem Eintreffen auf dem Schiff wird Amanda von ihrer Crew getrennt und irrt planlos durch die gespenstische, scheinbar leere Raumstation. Auf das Wesentliche reduziert handelt es sich bei Alien: Isolation um ein Schleich-Spiel in seiner rudimentärsten Form. Denn die Raumstation ist selbstredend nicht verlassen, sondern wird von einem Triumvirat an potenziellen Feinden bewohnt: Von Androiden, feindlich gesinnten Menschen und dem Alien.

Ohne Wärmesichtgerät oder Superkräfte muss sich Amanda, und somit der/die Spieler/in, auf ihre Sinne verlassen. Erkennen wir die glühenden Pupillen eines Androiden nicht, können wir davon ausgehen, dass er uns den Rücken zugewandt hat. Menschen machen uns die genaue Ortung bereits schwerer, denn ohne Referenzpunkte in der Dunkelheit können wir ihren Blickwinkel nur schwer abschätzen. Genauso unperfekt wie unentbehrlich ist in diesem Zusammenhang der Bewegungsmelder, der "Motion Tracker". In Blickrichtung zeigt er uns sich bewegende Feinde als Punkte an – ohne Distanzangabe, ohne genaue Position und ohne Höhenunterschiede. Und doch lernen wir, ihn zu lieben. Denn er wird uns im Laufe der Spielzeit häufiger das Leben retten als der Colt an unserer Hüfte.

Ebendieser Revolver macht auch die Kluft zwischen der Macht unserer Feinde klar. Kommt es hart auf hart, lassen sich Androiden und Menschen mit Waffengewalt bezwingen. Das Alien hingegen ist unbesiegbar. Tritt man in seine Sichtlinie, ist man in der Regel dem Tode geweiht. Ein derart gefährlicher Feind verlangt Umdenken – Spinde, Bürotische und Lüftungsschächte sind die besten Mittel, um dem Alien auszuweichen. Ab einem gewissen Punkt erhält Amanda einen Gegenstand, der das Verscheuchen des Xenomorphs ermöglicht, doch auch der verlangt einen bedachten Einsatz. Und wer ihn zu oft einsetzt, wird schnell die Anpassungsfähigkeit des Monsters zu spüren bekommen.

The Creative Assembly wurde vor der Veröffentlichung nicht müde zu betonen, wie fortschrittlich die künstliche Intelligenz des Aliens sei. Unberechenbar und lernfähig soll es sein, frei von vorgeschriebenen Scripts und leicht zu durchschauenden Tendenzen. Das fertige Spiel gibt ihnen Recht, denn einem solchen Feind sind wir in einem Videospiel bislang nicht begegnet. Dies erhöht nicht nur die Spannung, sondern verleiht dem Gameplay eine Dynamik, die dem Stealth-Genre ansonsten quasi komplett fehlt. Gleichzeitig führt sie allerdings auch dazu, dass die Grenze zwischen Spannung und Frustration unglaublich dünn ist. Hier fällt eine Bewertung schwer, denn auch wenn wir dem Alien oft um Haaresbreite entkommen sind, ergeht das nicht zwangsläufig jedem Spieler so.

Hilflos ausgeliefert ist man dem Monstrum allerdings nicht. Viele Büros und Werkstätten der Sevastopol beherbegen Baupläne, mithilfe derer sich Amanda diverse nützliche Gegenstände zusammenbauen kann – die nötigen Materialien vorausgesetzt. Ein Geräuschmacher eignet sich perfekt, um eine Gruppe von Gegnern an einen bestimmten Punkt zu locken. Andere Gegenstände sind brachialer: EMP-Minen setzen Androiden kurzzeitig außer Gefecht und Molotov-Cocktails lassen Menschen in Flammen aufgehen. Doch der Einsatz will wohlüberlegt sein denn die gleichzeitig herumtragbare Anzahl ist auf wenige Exemplare limitiert.

Während den seltenen Verschnaufpausen, die einem das Alien gönnt, tritt Creative Assemblys größte Errungeschaft auf den Plan: Sevastopol selbst. Mithilfe wohlbehütetem Referenzmaterial aus den dunkelsten Archiven von 20th Century Fox erstellte das britische Studio eine virtuelle Wandertour durch Filmsets und Kulissen aus dem ersten Alien-Film. Die Liebe zum Detail zieht sich wie ein roter Faden durch die weitläufige Raumstation: Dank flackernder Röhrenmonitore und versteckten Audiologs der Nostromo-Crew (im Originalton eingesprochen von Sigourney Weaver & Co.) ist Sevastopol für den Spieler gleichzeitig eine Reise in die Zukunft und in die Vergangenheit.

Doch die nahezu perfekte Rekreation der Utensilien aus dem Ur-Film ist weit mehr als nur reiner Fanservice. Das Alien im Nacken verfluchen wir die langen Startvorgänge von Computer und Bedienfeldern. Sind wir hingegen in bester Metroid-Manier dabei, mit neuer Ausrüstung alte Gebiete zu durchkämmen, erfreuen wir uns an der fantastischen Lichtsetzung (getestet auf PC und Xbox One), den wippenden Figuren auf den Büros, den archaischen Tastaturfeldern und der aus dem Film bekannten Musikuntermalung, bereichert durch Original-Alarmtöne und authentische Schleifgeräusche beim Öffnen eines Lüftungsschachts.

Fazit von
10
Hochtrabende PR ist häufig ein Schuss, der nach hinten losgeht. The Creative Assemblys Hybris ist allerdings begründet. Noch nie gab es ein Videospiel, das derart perfekt den Geist von Ridley Scotts legendärem Horrorfilm einfing. In Alien: Isolation stimmt von der ersten bis zur letzten Minute (fast) alles. Der titelgebende Xenomorph ist bedrohlich und erschreckend unberechenbar, Sevastopol in seiner Darstellung ein atmosphärisches Fest. Isolation kann auch ohne die Filmvorlage zu kennen genossen werden, doch wir empfehlen Vorkenntnisse. Denn erst dadurch wird aus einem hervorragenden Stealth-Horror-Hybrid das Meisterwerk, das Alien-Fans in diesem Ausnahmespiel sehen.
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